Donnerstag, 28. August 2014

Tag 195: Ausflug nach Lvív

Der Portier musste seine Schicht verlängern, um mich um 2:30 Uhr aus dem Hotel rauszulassen. Hoffentlich bezahlt ihn sein Boss dafür, von mir hat er heute noch ein kleines Trinkgeld bekommen. Der Bus war bis auf den letzten Platz gefüllt und fuhr schon 15 Minuten vor der angekündigten Abfahrtszeit los. Gut, dass ich rechtzeitig da war! Die Fahrt dauerte 5 Stunden, wobei allerdings zwei Stunden für die Abfertigung an der Grenze benötigt wurden.

Der Bus kam in Lvív am Busbahnhof an, der sich etwa 5 Kilometer südlich des Zentrums befindet. Mit einem lokalen Bus bin ich für ungefähr 30 Cent zu meinem ersten Ziel, dem schottischen Café gefahren. In diesem Café haben sich die großen Mathematiker der Lemberger Schule wie Stefan Banach, Hugo Steinhaus und Stanisław Mazur getroffen. Zunächst schrieben sie ihre Probleme und Beweise direkt auf die marmornen Tischplatten bis die Frau von Stefan Banach ein dickes Heft kaufte und dem Ober mit den Worten gab, dass er es jedem Mathematiker aushändigen solle, der danach verlangte. Aus diesem Heft wurde das berühmte schottische Buch, in dem viele Probleme aufgeschrieben wurden. Für die Lösung der Probleme wurden auch Preise ausgelobt, z. B. eine Gans oder eine Flasche Whisky.

Bei der Vorbereitung des Lvív-Besuchs habe ich mir das Gebäude von allen Seiten mit Google Streetview angesehen und nur ein Bank-Gebäude vorgefunden. Nicht einmal ene Plakette war zu sehen. Ich rechnete also nur damit, ein Foto machen zu können. Umso größer war meine Freude, als ich entdeckte, dass das Café wieder eröffnet hat! Jetzt konnte ich mich tatsächlich hineinsetzen und eine Tasse Tee trinken, so wie ich mir das schon zu Studentenzeiten vorgestellt hatte!


Es kam aber noch besser: Als ich den Ober fragte, ob das die Originalräumlichkeiten aus den 30er-Jahren seien, brachte er mir eine Kopie des schottischen Buches, das sie aus Warschau erhalten hatten!


Die meisten Einträge sind natürlich auf Polnisch, aber ein Problem von John von Neumann über Maßtheorie Boolescher Algebren war auf Deutsch. Als Preis für die Lösung hat er "eine Flasche Whisky vom Maße > 0" ausgelobt.




Gerade als ich aufbrechen wollte, hat ein weitere Besucher nach dem Buch gefragt. Natürlich sind wir sofort ins Gespräch gekommen: Es war Igor, der selbst Mathematiker ist, aber seit Jahren als Touristenführer arbeitet. Er hatte also doppeltes berufliches Interesse. Ich habe ihn gleich für einen einstündigen Spaziergang engagiert und das hat sehr viel Spaß gemacht.


Die Altstadt von Lvív ist in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen, weil hier Architektur und Kunsthandwerk aus vielen unterschiedlichen Traditionen zusammengekommen sind und miteinander harmonieren. Hier gab es immer viele Volksgruppen und Konfessionen. Neben der mittelalterlichen Altstadt mit klassischem Rechteck-Grundriss gibt es auch viele klassizistische Gebäude aus der Blütezeit, als Lemberg Hauptstadt des Königreichs Galizien in Österreich-Ungarn war. Der Rundgang war mit vielen Anekdoten gewürzt und Igor hat mir auch Skurrilitäten gezeigt. Zum Beispiel die Statue von Leopold von Sacher-Masoch, dem Namensgeber des Masochismus.


In der Statue ist die Hosentasche sehr weit gestaltet und lässt eine Betastung seiner edlen Teile zu. Das wird wohl auch genutzt, denn sie sind ganz blank!


Nach dem Rundgang habe ich in einem Restaurant an der Stadtmauer gegessen und mich dann auf den Weg zum Lytschakiwski-Friedhof gemacht, um dort das Grab von Stefan Banach zu besuchen. Wer etwas mehr über sein Leben und Wirken erfahren möchte, als es bei Wikipedia steht, kann hier etwas auf Englisch darüber lesen. Dort wird auch das schottische Café sehr enthusiastisch beschrieben.


Zum Abschluss des Lvív-Besuches habe ich den Rat von Lutz und Verena befolgt, die mir Tipps für diese Stadt gegeben hatten: Hier muss man unbedingt das Bier probieren. Und das geht natürlich am besten im Brauereimuseum!


Die Rückfahrt mit dem Bus war kurzweiliger, weil ich ich mit einem jungen Amerikaner und einem jungen Engländer unterhalten konnte. Und weil der Bus halb leer war, ging die Abfertigung auch schneller und wir waren 30 Minuten eher in Rzeszów als geplant. Es war anstrengend, aber es war ein toller Tag!

2 Kommentare:

  1. Hallo Jan,
    schön,dass dein Ausflug so gut und problemlos verlaufen ist.
    Beim Betrachten der Karte bist du also morgen richtig auf der Zielgeraden (auch wenn diese noch einige Kilometer lang ist). Ich wünsche dir für diese alles Gute. Und ich stell erneut meine Frage: "Wann überquerst du geplant wo die deutsch-polnische Grenze?
    Gruß, Jörg

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  2. Hallo Jörg,

    die Frage glaubte ich ja schon beantwortet zu haben, aber meine Mail ging leider nicht an Dich sondern an "noreply-comment@blogger.com". Diese Adresse bekommt bestimmt viel Post!

    Ich werde am 7.9.2014 bei der Oderbrücke nahe Köstrin (N52 34.751 E14 37.738) wieder nach Deutschland kommen.

    Liebe Grüße
    Jan

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