Freitag, 13. Juni 2014

Tag 119: Lushnja - Tepelena, 111 km

Zunächst ein Update zu gestern Abend: Ich habe das Eröffnungsspiel der WM zusammen mit sechs jungen Albanern, die recht gut Englisch sprachen, in einer Bar gesehen. Italienisches Skysport-TV, über Internet empfangen. Ausgerechnet bei der Ausführung des Elfmeters, den übrigens alle für ungerechtfertigt hielten, hat das Internet gehakt!


In den Gesprächen habe ich auch erfahren, dass Lushnja einer der Ausgangspunkte des Lotterieaufstandes von 1997 war. Damals hatten viele Albaner ihr Geld in Pyramidensystemen angelegt. Ihnen wurden hohe Zinssätze versprochen, die dann von den neuen Einlagen bezahlt wurden. Das brach natürlich zusammen und es kam zu diesem Aufstand. Die Albaner nannten es sogar einen Bürgerkrieg.

Vor dem Start heute früh habe ich die Empfehlung der Fußballfreunde von gestern Abend noch einmal geprüft: Sie meinten, ich dürfe nicht nach Tepelena fahren, weil ich dann die Adriaküste von Albanien nicht gesehen hätte und das wäre der schönste Teil. Aber wie ich es auch drehte und wendete, es wäre mindestens eine ganze Etappe mehr und hätte meinen Plan ziemlich durcheinandergewirbelt. Also hebe ich mir das für meinen nächsten Albanienbesuch auf!

Die langen Anstiege lagen heute zwischen Kilometer 50 und Kilometer 75. Da kann man nichts machen, die muss man eben in der große Hitze fahren! Unterwegs kam ich an einer stillgelegten Bahnlinie vorbei - ich glaube zumindest, dass sie stillgelegt ist. Auf dem Gleis weideten jedenfalls Ziegen, die an den Schienen angebunden waren.


Hier wie auch in Italien gibt es sehr viele Verkehrsopfer. Man erkennt das in Italien an frischen Blumen und Kreuzen am Straßenrand. Hier wird meist ein richtiges Grabmal am Unfallort aufgestellt und das Opfer dort auch begraben. Ich konnte eine Familie beim Trauerbesuch an einem solchen Grabmal beobachten: Das Auto hielt davor auf der Straße an, alle gingen einzeln zum Grabstein und berührten ihn kurz und dann wurde weitergefahren.

Abgesehen von den ersten 20 Kilometern war die Straße wieder toll und bot viele Ausblicke. Sehr gepflegt ist sie aber nicht, denn diverse Erdrutsche sind nur notdürftig geflickt, sei es durch die Stilllegung einer Fahrbahn oder durch eine schnell angelegte Schotterstrecke.

Meine Mittagspause wollte ich bei Kilometer 70 vor dem letzten Anstieg machen. Die Bar war allerdings geschlossen, aber es saß der örtliche Straßenpolizist mit zwei Freunden davor. Für ihn war die Bar nicht zu und so wurde ich zum Raki eingeladen. Auf meinen Einwand, dass ich noch Radfahren müsste, meinte er so etwas wie "Einer geht schon". Es wurden dann doch mehrere und dazu gab es Ziegen- und Schafskäse. Ein Foto durfte ich übrigens nicht schießen, er war zwar nicht im Dienst, aber hätte es vielleicht sein sollen. Genau habe ich es nicht verstanden.

Mit dem Raki intus ging der letzte Hügel recht flott. Trotzdem musste ich kurz vor dem Gipfel noch einmal im Schatten Pause machen. Ich glaube, dass ich wieder unter einer schmalblättrigen Ölweide saß, aber sie hatte nicht mehr den Blütenduft wie in Italien.


in Tepelena habe ich das allererste Hotel an der Hauptstraße genommen. Der eigentliche Ort liegt etwas weg von der Straße auf einem Hügel und ist bekannt als der Geburtsort von Ali Pascha. Zwischen den ersten beiden WM-Spielen heute habe ich einen kurzen Spaziergang versucht, bin aber gar nicht bis zum Ort gekommen. Einkaufen muss ich also morgen früh und zum Frühstück gibt es Wasser und die restlichen Kekse.

Technische Anmerkungen
Heute früh ging das Tracking nicht, weil ich vergessen hatte, es einzuschalten. Das ist mir erst gegen Mittag aufgefallen.

Meist ist es eine gute Idee, den alten Straßen zu folgen, wenn es einen Straßenneubau gibt: Sie haben wenig Verkehr und sind häufig sogar weniger steil. Heute bin ich aber einmal reingefallen: Nach 100 Höhenmeter bergab musste man eine Böschung hochkraxeln, um weiterzukommen. Unmöglich mit bepacktem Fahrrad, also habe ich alles Gepäck abgenommen und einzeln hochgetragen.


Beim Hochtragen des Fahrrades ist mir ein Missgeschick passiert: Der Lenker ist soweit umgeschlagen, dass die Lampe abgebrochen ist. Erst einmal habe ich mir mit McGyver-Tape, welches ich durch einen Kabelbinder fixiert habe, beholfen. Mal sehen, wo ich Ersatz herbekomme!



4 Kommentare:

  1. Hallo Jan,

    kurzer Gruss aus Paris. Dass mit der Lampe ist ungluecklich. Aber momentan brauchst Du sie vermutlich nicht wirklich, oder?

    Wuensche Dir weiterhin gute Fahrt und bin gespannt auf die naechsten Blogeintraege, die Gegend, die Du momentan beradelst, kenne ich ueberhaupt nicht, scheint aber sehr sehenswert zu sein. Vielleicht ist das ja mal was fuer einen der naechsten Urlaube? (Habe heute rausgefunden, dass ich 46 Urlaubstage im Jahr habe. Wenn ich mindestens 8 davon zwischen Oktober und Mai nehme, gibt es nochmal 2 Extra :) Verrueckte Welt in Frankreich, oder? Naja, ich will mich nicht beschweren.)

    Alles Gute weiterhin!
    Carola

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  2. Hallo Carola,

    danke für die guten Wünsche! Ja, Albanien ist bestimmt eine Reise wert. Es gibt wirklich viel zu sehen hier und die Freundlichkeit gegenüber Fremden ist geradezu überwältigend. Das mit der Lampe ist nicht ganz ohne, denn es gibt hier doch ab und zu mal einen Tunnel. Und ich kann nicht jede Lampe als Ersatz nehmen, denn sie muss abschaltbar sein und die spannung eines Nabendynamos vertragen (wegen des Akku-Ladegeräts).

    Grüße aus Südalbanien, heute geht's nach Griechenland!
    Jan

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  3. Oh ja, an die Tunnel hatte ich gar nicht gedacht. Na, dann hoffe ich, dass Du schnell eine Ersatzlampe findest. Hast Du eigentlich irgendwann nocheinmal Reisebegleitung oder faehrst Du die naechsten Wochen erst einmal alleine weiter?

    Alles Gute und viel Spass und viele tolle Erlebnisse in Griechenland!
    Carola

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  4. Hallo Carola,

    eine Begleitung ist nicht mehr geplant. Aber eine Kurzheimreise von Thessaloniki, ein Besuch bei den 4-daagse in Nijmegen und der Go-Kongress in Sibiu stehen noch an. Ich werde also nicht vereinsamen!

    Gruß Jan

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